Freitag - Juni - 14.06.2013 - 01:29 Uhr
» Waschberg 1923 .....
warum haben wir heuer für das Flugplatzfest das Motto "90 Jahre Flugsport in Österreich" gewählt, was war vor 90 Jahren ?

Der Waschbergwettbewerb 1923 !


Unsere Chronik haben wir ja einigermaßen akkurat, von der Vereinsgründung in die Gegenwart, was aber war davor ?
Da war doch was, der Waschbergwettbewerb, irgendwann 1923 ......




Holen wir kurz aus. Einer unserer Vereinsgründer, Kurt Maschek, kam vor einiger Zeit bei uns vorbei und übergab mir ein paar alte Belege, Rechnungen über Kleinkram, aus der Zwischenkriegszeit, ausgestellt auf die Segelfliegergruppe Stockerau. Auf meine Frage ob er denn da weitere Informationen hätte, konnte er mir leider keine positive Antwort geben. Aber, offenbar hat diese Frage den Geist des Mannes stark beschäftigt und irgendwann war es soweit, der Heimatforscher Maschek begann zu graben, in den Unterlagen, in seiner eigenen Erinnerung, er sprach mit Zeitzeugen, erhielt Bilder. Reinhard Keiml der ehemalige Luftfahrtkurator des technischen Museeums Wien war bei uns zu Besuch, Kurt besuchte Archive in St. Pölten, bekam Zeitungsartikel übermittelt und er hatte einen genialen Partner gefunden Hardo Eder. Hardo war schon im dritten Reich Pilot, somit entsprechend Interessiert am Geschehen rund um den Waschberg und die Fliegerei um Stockerau. In letzter Konsequenz ist ein Buch entstanden, ein Buch über den Waschbergwettbewerb, welches jetzt zu kaufen ist.



Zum vorliegenden Buch dann noch später, zuersteinmal zurück an den Start, den Anfang meiner Recherche:
Durch Zufall bekam ich von Reinhard Graf einen etwa 5 seitigen Bericht über den Wettbewerb, den will ich Euch nicht vorenthalten, der ist absolut lesenswert. Speziell die Passage über Espenlaub, den zweiten Sieger, mit einer Strecke von 2,5 Kilometern und dem Detail, dass dies überhaupt sein erster Flug war. „Bruch machen kann ich auch selber“, waren seine Gedanken als er das Startkommando gab....
Rekorde wurden geflogen, die deutschen Kollegen haben's uns aber voll gezeigt. Ein Flug, welcher 40 Minuten Gesamtflugzeit, eine Startüberhöhung von 270 Metern brachte und 10 Kilometer weit, Richtung Bruderndorf führte, war wohl das Highlight der Woche.

Ein kleiner Auszug:
....... Als am Spätnachmittag die beiden Rekordflieger Martens und Botsch um die besten Leistungen des Wettbewerbes rangen, unbeirrbar durch die oft heftigen Windstöße, ruhig Kreise um Kreise zogen und bei einbrechender Dämmerung silouethenhaft vor dem Hange schwebten war dies für alle Zuschauer ein bleibender, unvergesslicher Anblick.
„Gegen halb 5 Uhr“, berichtet Martens, „startete Botsch auf „Konsul“ bei einem Wind von 12-14 m/sek. In kurzer Zeit hatte er die Startstelle um 160 Meter überhöht und umkreiset in weiten Kurven die Waschbergkuppe. Kurz vor 5 Uhr startete ich den „Strolch“ und es gelang mir bald danach den „Konsul“ zu übersteigen. Der Wind hatte soweit zugenommen, daß es mir möglich war, längere Zeit vollkommen über einem bestimmten Punkt im Gelände zustehen. Dabei stieg ich dauernd. Mein Höhenmesser zeigte 270 Meter über dem Startpunkt und diese Messung wurde auch von der Erdbeobachtung später bestätigt. Langsam begann es dunkel zu werden. Infolgedessen drehte ich ab und flog mit Rückenwind in Richtung Bruderndorf davon. Nach etwa 40 Minuten Gesamtflugzeit landete ich 1 einhalb Kilometer jenseits diese Dorfes.“........

Lest hier den vollständigen, mir vorliegenden Text



Im Zuges des Textes findet man gegen Ende einen Hinweis auf einen Zeitungsartikel betreffend des Wettbewerbes. Ein paar Stunden Internetrecherche und voilà, da gibt’s doch was. Ein absolut atemberaubender Link, ANNO (AustriaN Newspaper Online), Zeitungsscans zurück bis 1716, ja siebzehnhundertsechzehn ....
Also, wann war der Wettbewerb, Ende Oktober 1923, mal suchen was sich da findet. Ein wenig gestöbert bringt unglaubliches Zutage, von jedem Tag gibt es in der „Reichspost“ und anderen Tageszeitungen Berichte über den Flugtag, lest selbst...



Der Waschbergwettbewerb Freitag, 12.10.1923

Die PR Maschinerie beginnt zu laufen, wenngleich es damals einfach mal "Führer durch die Segelflugwoche" hieß.




Nicht alle waren begeistert, offenbar hatte der Veranstalter nicht nur Freunde, lest selbst, "Tingel-Tangel zum lustigen Segelflug" in der Wiener Sonn- und Montagszeitung vom 8.Oktober 1923





er Waschbergwettbewerb Samstag, 13.10.1923

Eröffnung durch den Bundespräsidenten Hainisch, dichter Nebel liegt über dem Waschberg, gegen mittags hebt sich der Nebel, der Wind kommt aus der falschen Richtung, kein Flugbetrieb, Besuch eines Fokker Motorflugzeuges am Waschberg







Der Waschbergwettbewerb Sonntag 14.10.1923

Regen, kein Flugbetrieb




Der Waschbergwettbewerb Montag, 15.10.1923

Eilmeldung vom Vormittag, Flugwetter, mittelkräftiger Südwestwind, heiterer Himmel, Höfer „fliegt“ mit „Kreß“, allerdings führt dies zu einem Bruch, Bernthaler mit dem Doppeldecker der Segelflugvereinigung der Technischen Hochschule Graz, bringt es zu einem Luftsprung, der dt. Rekordflieger Martens startet und landet 16 Minuten später bei „Leizelbrunn (Leitzersbrunn od. L...) 5150 Meter entfernt und nach einem Höhengewinn von 144 Metern über dem Startplatz. Ehrlich fliegt auf „Wien“ 7 Minuten und landet bei Wollmannsberg (1030 Meter in der Luftlinie...), Stramer fliegt 5 Minuten und Spies auf „Edith“




Der Waschbergwettbewerb Dienstag, 16.10.1923

Keine Flüge ...ungünstige Winde (zu schwach, später dann falsche Richtung und schwach), geplanter Start von einem Motorsegler (Stamer) wg. gedrehter Windrichtung unmöglich




Der Waschbergwettbewerb Mittwoch, 17.10.1923

14 Starts und sehr bedeutende Flugleistungen. Martens 10km; Espenlaub 3 Minuten auf seinem ersten Alleinflug !!, Spiehs auf Edith flog 8 Minuten, Stamer auf „Hols der Teufel“ ein eleganter Flug von 1268 Metern, Ehrlich auf „Wien“ fliegt 10 Minuten, Martens auf „Strolch“ fliegt eine halbe Stunde, Spies auf „Edith“ nochmals 10 Minuten, Stramer auf „Espenlaub“ fliegt 4 Minuten, Botsch auf „Konsul“ fliegt 10 Minuten und landet vor dem Publikum am Startplatz, Spies auf „Edith“ fliegt 17 Minuten, fliegt dabei zum Michelsberg, umrundet die Kapelle und landet dann im Tale, Winter auf „Charlotte“ und Buchholzer auf einem Flugzeug der Techn. Hochschule Wien fliegen 3 Minuten, Stromer startet auf einem selbstkonstruieren Eindecker und überschlägt sich beim Start, Winter auf Charlotte“ fliegt 7 Minuten, Botsch startet auf „Konsul“ und kurz darauf Martens auf „Strolch“, beide Flugzeuge fliegen nun gemeinsam im Hangwind vom Waschberg. Botsch landet nach 48 Minuten wieder am Startplatz und Martens fliegt 10 Kilometer weit nach Bruderndorf







Der Waschbergwettbewerb Donnerstag, 18.10.1923

Westwind, , Maximum 3 Sekundenmeter. Gazda startet auf „Espenlaub“ und fliegt trotz schwachem Windes 2 Minuten 56 Sekunden und erreicht eine Flugstrecke von 2025 Metern, Stramer startet mit einem 5 Ps Hilfsmotor auf „Hols der Teufel“, Gazda startet auf „Espenlaub“ ein zweites Mal, will seine „B-Prüfung“ machen und beschädigt den Flügel des Apparates bei einer Landung in einem Hohlweg, Flüge von den Piloten Fiala, Griensteidl, Herman und Losert auf den Flugzeugen „Frohe Welt“, „Technische Hochschule Wien“ bei fast völliger Windstille.
Stramer macht ausser Konkurenz einen Flug auf „Techn.Hochschule Wien, wobei er sehr zur Belustigung des Publikums bei der Landung einen sauberen Überschlagvorführte.......
Der gestern verunglückte Stromer liegt im Wilheminenspital...




Der Waschbergwettbewerb Freitag, 19.10.1923

Wegen ungünstiger Windverhältnisse keine Flüge, trotzdem außerordentlich starker Besuch




Der Waschbergwettbewerb Samstag, 20.10.1923

Ostwind, kein Flugbetrieb. Beratung über die Verlängerung der Segelflugwoche. Die dt. Segelflieger sagen prinzipiell zu, jedoch aufgrund der schlechten Wetterprognose für die nächsten Tage, wird keine Verlängerung durchgeführt. Die Segelflugwoche endet plangemäß, morgen, Sonntag




Der Waschbergwettbewerb Sonntag, 21.10.1923

Windstille, lediglich Buchholzer macht auf „Technische Hochschule Wien“ einen kurzen Luftsprung....“Die wiederholt geäußerte Befürchtung, dass der Segelflug in seiner Entwicklung noch nicht weit genug vorgeschritten ist, um ihn in den Rahmen einer großangelegten öffentlichen Veranstaltung, deren Besuch mit viel Zeitaufwand, Mühen und Kosten verbunden ist, zu stellen, hat sich bewahrheitet. Nur an zwei Tagen des auf neun Tage ausgedehnten Meetings wurden wirkliche Flüge geleistet“......


Noch ein paar Bilder aus diversen Quellen:



Vor und während der Veranstaltung kam es immer wieder zu recht kritischen Stimmen, welche an der Ernsthaftigkeit der Veranstaltung zweifelten. Dem Veranstalter sind offenbar doch einige Fauxpas unterlaufen.
Besonders kritisch war das Sonn und Montagsblatt, welches in zwei Ausgaben vom Wettbewerb berichtet hat. Am 15.10.1923 unter dem Titel „Fiasko am Waschberg“ findet sich folgender Textauszug ...“Die ernsten Flieger lachen natürlich innerlich über diese Art der Fliegerei vom 390 Meter hohen Waschberg mit bloß 150 Metern Gefälle. Vorwärts bringen können uns derlei anachronistische Spielerein nicht. Es genügt da nicht, wenn man von einem Aeroplan den Motor und Propeller wegnimmt und sagt: das ist nun einen Segelflugmaschine..........Es ist also eine bewusste Irreführung der Laien, die da unter offiziellem Deckmantel betrieben wird. Flugtechnisch und sogar sportlich ist dieses Luftsegeln völlig bedeutungslos und ein bedauerlicher Rückschritt“.....





Bei aller fliegerischen Begeisterung, eigentlich stimmt mich die ganze Geschichte schon ein wenig nachdenklich. Einerseits die heldenhaften Flieger, angereist aus Deutschland und dem ganzen österreichischem Bundesgebiet. Das Gefühl welches wir als Piloten alle kennen, das losgelöst sein, der Kampf mit Wind und Wetter, Antransport, Aufbau und Versorgen der Flugzeuge, wie am Fluglager....
Andererseits, wenn man die Zeitung nicht nur ganz punktuell auf die Fliegerei ließt, findet man auch schnell anderes. Sorgen wie wir sie heute auch haben, Kriminalität, Kinoprogramm, Werbungen. Und dann die Artikel zur Wirtschaftslage.
Wir lesen von explodierenden Brotpreisen
12.10.1923 Wettbewerbsbeginn, 1 Laib Brot kostet in Deutschland 250 Mio. Mark
13.10.1923 1 Laib Brot kostet nun 340 Mio. Mark
14.10.1923 1 Laib Brot 480 Mio. Mark
19.10.1923 1 Laib Brot 620 Mio. Mark
21.10.1923 Ende des Wettbewerbes, 1 Laib Brot kostet jetzt 1000 Mio. Mark


Wir lesen von Strassenbahnfahrten, welche 10 Millionen Mark kosten, wir lesen davon, dass der Handel mit der Mark in Zürich ausgesetzt wurde, wir lesen von der Einführung der Rentenmark, davon, dass das Finanzamt die Steuerschuld nur mehr in Goldmark und nicht mehr in Papiergeld ausschreibt:
Wir lesen von Lebesmittelunruhen in Leipzig, von geplünderten Bäckerein und Hungerkravallen in Berlin, von Wahlschlachten in Wien, wo die Wahlplakatierer auf das schlimmste Niedergeschlagen wurden.

Wenn eine Strassenbahnfahrt 10 Millionen Mark kostete, unter welchen Umständen haben die Burschen dann den Weg zum Waschberg gemacht, welche Entbehrungen mussten hier akzeptiert werden. Ich denke es werden nicht nur lauter Superreiche gewesen sein, welche hier ankamen. Viele werden einfach alles für diese Reise, diesen Wettbewerb geopfert haben. Die Burschen hatten schon einen, mit heutigen Verhältnissen in der Fliegerei, kaum vergleichbaren Enthusiasmus......



Hätte ich einen Wunsch frei, so wäre der, dass viele von Euch nicht nur die Artikel zum Thema Waschberg lesen würden. Das viele von Euch auch in den anderen Teilen der Zeitungen ein wenig stöbern würden
Ein wenig über das was damals vorging reflektieren, eine Gedankenreise machen, einen Zeitbogen spannen in diese Zeit.
Neben dem heroischen Fliegertum auch sehen, unter welchen gesellschaftlichen, politischen, finanziellen und sozialen Bedingungen hier geflogen wurde.

Von dieser Zeitreise kann man viel mitnehmen, Zufriedenheit über den heutigen Standard, Nachdenklichkeit betreffend der Zukunft und auf uns, die Gemeinschaft der Flieger bezogen, ein wenig vom Spirit welcher in der damalige Fliegergilde geherrscht hat. Davon, Dinge nicht einfach zu konsumieren, sondern dafür auch was anderes als Geld in die Sache investieren zu müssen.


Zum Abschluß noch einige Schmankerl, einen Film vom Waschbergwettbewerb






Aktuell (Stand 05/2013) gibt es von Hardo EDER und Kurt MASCHEK das Buch über den Waschbergwettbewerb 1923 und Reinhar KEIML hat die letzte Ausgabe der ÖLA (Öst.Luftfartachiv Zeitung) komplett dem Waschbergwettbewerb gewidmet.
Beide Druckschriften sind die umfassendste Dokumentation zum Thema Waschbergwettbewerb die es dzt. gibt, sie sind, auch wenn man sie nicht von vorne bis hinten studieren möchte, absolut lesenswert.

Einen Anreisser findet ihr hier.....


Wer Interesse an den Druckschriften hat, möge sich bitte an mich wenden, am besten per mail (office(at)fsv2000.com)
Wer alte Bilder vom Waschbergwettbewerb, von der Zeit des dritten Reiches und den Feldflugplätzen in unserer Umgebung hat, bitte bei mir melden, Danke im voraus ..... go




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» von Wolfgang Gockert