» Gabriels Turns, zwei Maedels vom Spitzerberg, der Imperator und das Wetter in Schaerding
Bericht von der Segelkunstflug-Staatsmeisterschaft in Schärding
Im Anhang gibt’s wie immer zu solchen Veranstaltungen die Ergebnisse und Gabriel’s Online-Tagebuch, das ich sehr lesenswert und verständlich finde, was aber vermutlich auch daran liegt, dass ich ein wenig von der Kunstfliegerei verstehe, vor Ort bin und mittlerweile Gabriels momentane Stimmungslage recht gut einschätzen kann (vor den Turns ist alles leiwand, danach meistens Weltuntergang).
Die zwei Mädels vom Spitzerberg heißen Jana und Alexia, sind 17 bzw. 19 Jahre alt und vielleicht schon dem einen oder anderen aufmerksamen Beobachter beim Segelkunstflug-Training in Stockerau aufgefallen. Sie lernen schnell und kontinuierlich und die anfänglich noch sehr „mädchenhaften“ Ruderinputs sind mittlerweile so zackig, dass wir am hinteren Sitz der Fox schon ziemlich heftig gegen die g-Kräfte und das drohende Blackout ankämpfen müssen. Es braucht auch nicht viel Überredungskunst um die Mädels auf das Ziel Staatsmeisterschaft einzustimmen.
Am Wochenende vor dem Bewerb kommen Gabriel und ich zur Erkenntnis, dass den Mädels doch noch ein paar Trainingstage fehlen und ein kleineres Fiasko im Bewerb drohen könnte – die „bekannte Pflicht“ geht so lala, aber alle andere Kunstflugfiguren haben sie überhaupt noch nicht trainiert. Unsere Bedenken sind den Mädels aber wurscht, weil sich Jana und Alexia eh schon für die „Sportsman“ angemeldet haben. In dieser Einsteigerklasse ist auch ein Sicherheitspilot erlaubt, so dass ich mich spontan bereit erkläre, mit den Mädels mitzufliegen. Gabriel hätte das natürlich auch übernommen, sollte sich aber angesichts seines latenten Turn-Syndroms lieber auf seinen eigenen Bewerb in der Unlimited-Klasse konzentrieren.
Gerhard S., ein Kunstflieger aus Wr. Neustadt, der auch schon seit einigen Jahren bei uns trainiert, vervollständigt in der mittleren „Advanced“-Klasse unsere Mann- und Frauschaft (um gendermäßig halbwegs korrekt zu bleiben).
So bin ich nach 12 Jahren Abstinenz plötzlich wieder in einem Kunstflugbewerb und dass es nicht beim gemütlichen Mitfliegen bei zwei netten Mädels bleiben wird ist mir auch ziemlich klar.
Jetzt kommt nämlich der „Imperator“ ins Spiel, der im bürgerlichen Leben eigentlich Steff H. heißt, aus unserem gleichsprachlichem Lieblingsnachbarland stammt und vermutlich der beste Motor- und Segelkunstflug-Schiedsrichter weit und breit ist. Steff war bei meinen ersten Bewerben vor vielen Jahren zwar noch nicht „Imperator“, aber immerhin schon damals der Schiedsrichter mit den markantesten Sprüchen.
Als „Chief Judge“ verordnet er einem Advanced-Teilnehmer einen Sicherheitspiloten und der bin natürlich ich. In der Unlimited fehlt ein Teilnehmer auf die geforderten 6 für eine offizielle Wertung und eh klar, dass sich Steff mit seinem Anliegen vertrauensvoll an mich wendet.
Somit habe ich als einziger Pilot die Ehre, in allen 3 Klassen fliegt zu dürfen – in der Sportsman und Advanced als Sicherheitspilot und in der Unlimited offiziell als Teilnehmer. Praktisch habe ich dafür schon lange nix mehr trainiert und daher wäre jede Ambition ziemlich vermessen. Es kommt auch recht gelegen, dass ich z.Zt. eh keine gültige Tieffluggenehmigung und somit einen guten Grund habe, einfach die grauslichsten Figuren auszulassen. Die Bewertung der restlichen Figuren ist gar nicht mal so schlecht wie befürchtet, kann aber auch sein, dass da ein gewisser Dankbarkeitsbonus eingerechnet ist.
Zu den Leistungen von Jana und Alexia kann ich auf hochösterreichisch nur ein bewunderndes „bist du deppat“ sagen.
Alexia fliegt am Donnerstag die „bekannte Pflicht“ sehr solide und ärgert sich im Flug nur über einen fast verreckten Turn, den sie aber gerade noch über den Scheitelpunkt retten kann. Der Imperator und sein Schiedsrichterteam bemerken natürlich auch, dass wir die letzten Figuren eigentlich regelwidrig hinter ihren Rücken fliegen, lassen aber bei 25kt Wind in der Box Gnade walten und die Nuller im Sack. Das Programm ist somit fehlerfrei und schon mal gut fürs Selbstvertrauen.
Das braucht Alexia auch dringend, weil die zwei unbekannten Pflichten für Freitag schon ziemlich harte Aufgaben sind. Wie befürchtet sind jeweils 2 bzw. 3 Figuren dabei, die sie noch nie zuvor geflogen ist und ein Training während des Bewerbes ist sowieso verboten. Noch dazu sind die neuen Figuren für die Einsteigerklasse schon ziemlich Hardcore: Umgekehrte Kuban, Spitzkopf, Looping mit einer Rolle im Scheitelpunkt hätte ich eher in der Advanced erwartet. Wir erklären Alexia die notwendigen Ruderinputs, wie das Flugzeug darauf reagieren wird, wo sie wann hinschauen soll und versuchen zu vermitteln, wie sich das alles im Flug anfühlen wird. Auf der Fotoserie trainiert Gabriel mit Alexia gerade den Looping mit der Rolle im oberen Scheitelpunkt (man beachte auch Gabriel's Outdoor-Wettbewerbsbüro):
Wir ham offensichtlich alles richtig erklärt und Alexia hat offensichtlich alles richtig verstanden, weil sie das nächste fehlerfreie Programm dem Imperator & Co vor die Nase zirkelt.
Vor der zweiten „unbekannten Pflicht“ ist Alexia deutlich nervöser als vor den ersten 2 Flügen, weil ihr bewusst geworden ist, dass sie um den Sieg in ihrer Klasse mitfliegen kann. Der Flug ist dann genauso fehlerfrei wie die zwei davor und am Ende hat sie diesen Durchgang sogar gewonnen.
Während der 2 Tage, an denen Alexia und alle anderen Teilnehmer ihre Programme geflogen sind, war Jana noch in der Schule um irgendetwas wichtiges fürs Leben zu lernen. Sie hat aber von der Bewerbsleitung die Möglichkeit bekommen, am Samstag alle 3 Programme nachzufliegen, was für einen Tag eh schon ziemlich heftig ist.
Dann schlägt auch noch das Schärdinger Wetter gnadenlos zu – tiefer Stratus mit noch tieferen Wolkenfetzen, dazu leichter, aber ständiger Regen. Nur die größten Optimisten erwarten ein kurzes Wetterfenster um die Mittagszeit, das dann aber doch nicht kommt. Contest Director Sandra W., die übrigens auch bei uns in Stockerau Mitglied ist, schaut ziemlich ratlos drein.
In unserer Verzweiflung pilgern Gabriel und ich zu den einzigen, die an diesem Tag bereits geflogen sind, nämlich zur Besatzung des am Platz stationierten Notarzthubschraubers, der aber zuletzt vor 3 Stunden in der Luft war. Immerhin glaubt auch der Hubschrauberpilot, dass es von Bayern her besser werden könnte. Er bietet uns an, dass er beim Heimflug vom nächsten Einsatz für uns das Wetter im Platzbereich erkunden wird. Komische Vorstellung, dass sich erst jemand ordentlich weh tun muss, damit wir zu verlässlichen Wetterinformationen kommen. Gegen 17h steigt die Basis markant an, niemand hat sich weh getan, somit schicken wir halt den Schlepppiloten zur Erkundung los und setzen Jana gleich dazu, damit sie sich in der Gegend Orientierungspunkte einprägen kann.
Die Basis ist mit knapp über 1000m eigentlich zu niedrig, aber wurscht, wir starten um halb sechs. Jana fliegt die „bekannte Pflicht“ ebenfalls fehlerfrei und gewinnt diesen Durchgang sogar. Im Endanflug sag ich ihr, dass sie gleich zum Hangar rollen soll. Sie ist mit diesem Flug immerhin in der Wertung und für die ordentliche Vorbereitung auf die unbekannten Pflichten reicht die verbleibende Tageszeit nimmer.
Gabriel kommt angefahren und fragt „woits net glei wida fliagn?“ Jana will, also wieder raus zum Start und sie fliegt die erste „unbekannte“ zwar nicht ganz sauber, aber immerhin auch ohne Nuller. Ich bin mir immer noch nicht sicher, wer ihr die neuen Figuren wirklich beigebracht hat, würde aber stark auf Alexia mit ihrer immerhin eintägigen Erfahrung tippen.
Für den letzten Flug steigen wir gar nimmer aus: Lange Rückenwindlandung, Gabriel und Alexia drehen uns um, Programmzettel austauschen, Schleppseil einhängen und genau 4 Minuten nach der Landung sind wir wieder in der Luft. Leute, das kann nie und nimmer funktionieren! Tut es auch nicht! Nur 2 Nuller sind trotzdem eine grandiose Leistung für 3 Wertungsflüge mit 5 noch nie geflogenen Figuren innerhalb von 70 Minuten.
Fazit
Beide Mädels haben eine beeindruckende Leistung abgeliefert und sich wie schon beim Training in Stockerau von Flug zu Flug kontinuierlich gesteigert. Beide haben je einen Durchgang gewonnen und sind am Ende 2. und 3. (von leider auch nur 3 Teilnehmern) geworden. Alexia hat als einzige von allen österreichischen Teilnehmern in allen 3 Klassen den gesamten Bewerb ohne Nuller beendet. Jana hat 2 Programme und alle für sie neuen Figuren ebenfalls fehlerfrei geflogen. Die 2 Nuller von eigentlich recht einfachen Figuren waren Konzentrationsfehler und wären mit einer regulären Vorbereitung sicher nicht passiert. Wenn die Mädels weiter so konsequent trainieren, dann werden sie mich beim nächsten Bewerb sicher nimmer im Cockpit brauchen und die Burschen werden sich schon bald ziemlich warm anziehen müssen. Weiter so!
Gerhard ist in der Advanced ebenfalls sehr solide geflogen und hat die ersten 2 Durchgänge jeweils als bester Österreicher beendet. Im letzten Flug ist es eigentlich auch recht gut gelaufen, nur hat er sich leider ein bisserl auf seinem Programmzettel verirrt. Trotzdem Gratulation zum 2. Platz in der Österreichwertung!
Gabriel hat sich in der Unlimited sicher mehr erwartet und muss wohl noch eine Zeitlang an der Beziehungskrise zu seinem Flugzeug arbeiten. Der Swift vom Nationalteam ist nicht einfach zu fliegen und von allen Swiften vermutlich der zickigste, aber international führt kein Weg daran vorbei. Training, Training, Training!
Sandra hat im Hintergrund mit Abstand die meiste Arbeit für diesen Bewerb geleistet. Als Contest Director war sie sowieso für alles zuständig, als Scoring Director hat sie die gesamte Auswertung der Flüge erledigt und nachdem ein Schiedsrichter kurzfristig absagen musste hat sie auch diesen Job noch gemacht.
Mir haben die Tage in Schärding, das Wiederreinschnuppern in die Wettbewerbsszene und ganz besonders das Fliegen mit den Mädels viel Spaß gemacht.
Ah ja, in meiner eigentlichen Funktion als Sicherheitspilot hab ich nicht das Geringste zu tun gehabt.
Link: Gabriel's Online-Tagebuch
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